Flavio Briatore überrascht: "Warum reden wir jetzt über Schumacher?"

(Motorsport-Total.com) - Als Flavio Briatore am Freitagnachmittag in Barcelona in der FIA-Pressekonferenz saß, war irgendwie alles wie früher. Kein Mensch konnte sein englisches Gemurmel wirklich gut verstehen, er jammerte darüber, dass ihm noch Geld geschuldet wird, er klopfte große Sprüche, wie er mit seinem alten Benetton-Team (das heute Alpine heißt) bald Weltmeister werden will. Und es ging um Schumacher.
Flavio Briatore ist wieder da: Sein Auftritt in der FIA-PK war erfrischend unkonventionell Zoom Download
Deutsche Medien, allen voran die Bild-Zeitung, hatten zuletzt berichtet, dass Mick und nicht Michael Schumacher unter Umständen ein Thema für Briatore sein könnte, falls nach Jack Doohan auch Franco Colapinto versagen sollte. Schumacher wäre "auf jeden Fall ein Kandidat" und "definitiv eine Option", sagte Sky-Experte Timo Glock kürzlich. Klar, dass das Thema in der Pressekonferenz aufkommen würde.
Aber Briatore runzelt darüber nur die Stirn: "Ich bin mir nicht ganz sicher: Warum reden wir jetzt über Schumacher? Es ist das Jahr 2025. Ich verstehe nicht. Was wollt ihr wissen?" Auf Nachfrage, ob er Mick Schumacher unter Vertrag nehmen werde, antwortet er: "Ja, sicher. Sagen ja alle." Nur um, mit ernsterer Miene, anzufügen: "Ich glaube nicht, dass das eine Frage für hier ist. Darüber will ich nicht reden. Nächste Frage."
Auch wenn gerade in Deutschland krampfhaft versucht wird, Mick Schumacher in jedes Cockpit zu schreiben, das auch nur entfernt verfügbar sein könnte, weil sein Name Reichweiten garantiert: Die Idee, dass er auf Briatores Radar sein könnte, ist nicht ganz weit hergeholt.
Im Sommer 2024 veranstaltete Alpine in Le Castellet eine Art Shootout, also einen Vergleichstest, zwischen Schumacher und Doohan. Am Ende, so erzählt man sich das im Paddock, war Schumachers Rundenzeit sogar schneller - allerdings unter schnelleren Streckenbedingungen. Jedenfalls erhielt Doohan den Zuschlag für das Stammcockpit 2025.
Unkonventioneller Auftritt in der FIA-PressekonferenzMan kann von Briatore halten, was man will. Tatsache ist: Er muss sich nur in eine harmlose Pressekonferenz setzen, um Journalisten und Fans zu unterhalten und mehr Schlagzeilen anzustoßen als das ganze Freitagstraining auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya.
Auf die Frage, dass er vor ziemlich genau zwölf Monaten als Berater von Renault-Konzernchef Luca de Meo bestätigt wurde und wie es sich anfühle im neuen Job, antwortet er gleich in typischer Briatore-Manier: "Oh, es sind erst zehn Monate. Das weiß ich, weil ich erst zehn Schecks erhalten habe, nicht elf!"
Briatores Ruf eilt ihm voraus. Über die Geschäftsmethoden, die ihm nachgesagt werden wie Mafia-Mythen, ist auf seiner Wikipedia-Seite alles gesagt. Ob wirklich alles stimmt, was ihm fast legendenhaft nachgesagt wird, sei dahingestellt. Tatsache ist aber: Briatore hat nie viel dagegen unternommen, solche Vorwürfe juristisch einzufangen. Vielleicht gefällt ihm das Image des knallharten Machers, mit dem man sich besser nicht anlegt, gar nicht so schlecht.
Der 75-jährige Sizilianer, der schon einen Nierenkrebs, eine Herz-OP und COVID-19 überlebt hat, macht keine Gefangenen. Als er entschied, die traditionsreiche Motorenfabrik in Viry-Chatillon zu schließen und stattdessen ab 2026 mit Mercedes-Power zu fahren, hatte er die Mitarbeiter und die Gewerkschaften gegen sich. In Frankreich wurde der Plan zum großen Politikum. Doch am Ende setzte er sich durch.
Kann Alpine wirklich 2027 Weltmeister werden?
Jetzt spricht er davon, mit Alpine schon 2027 Formel-1-Weltmeister werden zu wollen - so wie damals, 1994 und 1995 mit "Schumi", und 2005 und 2006 mit Fernando Alonso. Klingt optimistisch für einen Rennstall, der in der Konstrukteurs-WM derzeit Vorletzter ist, nur einen Punkt vor dem Schweizer-Sauber-Team. Aber Briatore sagt: "Wenn du Formel 1 machst, musst du einen Traum haben."
Das Alpine-Team in seiner derzeitigen Form sei noch neu, sagt er, "und es performt nicht so, wie ich das will". Man müsse erst aufräumen, findet Briatore und fordert: "2026 müssen wir konkurrenzfähig sein und manchmal aufs Podium kommen. Das ist das Ziel. Und warum nicht schon 2027 Weltmeister? Wir sehen, was bei Red Bull möglich war."
Nachsatz: "Das hängt auch sehr von den Fahrern ab, die wir 2027 haben werden." Ob Pierre Gasly ein potenzieller Weltmeister sei, "das weiß ich nicht", weicht Briatore der Frage aus - und erklärt, man könne nicht Äpfel mit Birnen vergleichen: "Wenn du kein konkurrenzfähiges Auto hast, kannst du nicht wissen, wie gut deine Fahrer wirklich sind. [...] Solange wir ihm kein konkurrenzfähiges Auto geben, ist schwer zu sagen, auf welchem Niveau Gasly ist. Also bauen wir ihm erstmal eins, und dann werden wir es herausfinden."
Auch bei Fragen zu Franco Colapinto hält er sich bedeckt. Erstmal Barcelona abwarten, bittet Briatore um Geduld, dann könne man mehr sagen. In Monaco habe er "viele Fehler" gemacht. Barcelona sei "Francos erstes richtiges Rennen". Und ob der Argentinier drei oder fünf oder sieben Rennen bekommen werde, um sich zu beweisen, "das werden wir sehen. Wenn Colapinto performt, sitzt er im Auto. Wenn nicht, dann nicht."
"2025 ist ein Jahr, in dem wir uns auf 2026 vorbereiten müssen. Ganz egal, welche Experimente dafür auch immer nötig sein sollten: Ich werde experimentieren. Ich weiß derzeit nicht, ob Franco die ganze Saison fahren wird oder nicht. Schauen wir mal. Hängt ganz von seiner Leistung ab. Uns interessiert nur die, sonst nichts."
Briatore: Immer auf der Jagd nach dem schnellen DollarDamit widerspricht Briatore dem Verdacht, er habe Colapinto unter anderem auch ins Alpine-Cockpit gesetzt, weil der eine finanziell nicht unerhebliche Mitgift im Gepäck hatte. Und Dollars sind immer noch das, was Briatore Zeit seines Schaffens in der Formel 1 am meisten interessiert hat. So beschreiben ihn zumindest viele, die ihn kennen.
Eine lustige Situation ereignete sich vor ein paar Wochen im Rahmen einer ORF-Übertragung, als Kommentator Ernst Hausleitner und Experte Alexander Wurz gerade in dem Moment über Briatore sprachen, als der zufällig durchs Bild lief. Wurz griff spaßeshalber instinktiv in seine Hosentasche, um zu kontrollieren, ob sein Portemonnaie noch da ist.
Als ein Journalist von Briatore wissen möchte, welche Qualitäten der zukünftige Nachfolger des kürzlich abhandengekommenen Alpine-Teamchefs Oliver Oakes haben muss, kann sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner nicht verkneifen, Briatore reinzugrätschen, bevor der selbst antworten kann: "Billig muss er sein!"
Doch Briatore widerspricht: "Wir suchen jemanden, der gut ist, jemanden, der das Business versteht und Teil unseres Teams sein möchte. Ich kenne ein paar Leute, die Teil dieser Reise mit Alpine sein wollen." Und er stellt klar: "Wir entscheiden schnell." So kennt man ihn von früher: Lang rumfackeln ist nicht.
Horner: Briatore-Comeback ist "erfrischend"An einer Stelle der Pressekonferenz muss Horner grinsen: "Ich möchte mal sagen, wie erfrischend es ist, Flavio wieder hier zu haben. Er hatte eine Weile Pause, aber das macht einfach Spaß. Davor waren die Pressekonferenzen immer so langweilig!"
Briatore greift den Ball auf und erwidert: "Es hat sich nichts verändert in den 20 Jahren. Oder vielleicht ein bisschen. Mehr Leute mit weißen Haaren", nimmt er sich selbst auf die Schaufel. "Oder gar keine Haare mehr", grinst Horner. Worauf Briatore sagt: "Du und ich vielleicht. Isola nicht. Der sieht immer noch gut aus."
An Selbstvertrauen hat es Briatore noch nie gemangelt. Und so aussichtslos die Aufgabe auch erscheinen mag, Alpine von Platz 9 an die Spitze der Formel 1 zu führen, so simpel klingt diese, wenn Briatore sie analysiert: "McLaren war doch vor zwei, drei Jahren auch noch ganz hinten. [...] In diesem Business kann das ganz schnell gehen."
Er erinnert: "Mit Benetton waren wir 91, 92, 93 in den Qualifyings immer weit weg. 94, 95 und 96 waren wir vorn dabei. 95 und 96 waren wir sogar Weltmeister." Mit den Details hat er es noch nie so genau genommen. 1994 und 1995 wurde Michael Schumacher tatsächlich auf Benetton Champion. 1996 fuhren Gerhard Berger und Jean Alesi aber Siegen vergeblich hinterher.
Briatore macht klar, dass er seine Ansagen ernst meint, wenn er sagt: "Würde ich nicht dran glauben, dass wir 2027 ganz vorne mitfahren können, dann könnte ich mich ebenso gut an den Strand legen und Coca-Cola trinken, und mir dieses Wochenende nicht Barcelona antun und in der Hitze hier zu schwitzen."
Vielleicht ist es also ganz gut, dass er im Spätherbst seines Berufslebens nochmal eine Herausforderung in der Formel 1 angenommen hat. Denn ein bisschen Stress im Paddock ist für sein Herz vielleicht gesünder, als sich eine Coke nach der anderen reinzuziehen ...
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